Junge Biotechunternehmen aus Deutschland sehen sich beinahe traditionell gerade in der Wachstumsphase großen Hürden bei der Finanzierung ausgesetzt. Der Erfolg von BioNTech, CureVac & Co. könnte eine Trendwende bedeuten. Doch auch künftige Entwicklungen werden keine Selbstläufer.
Plattform Life Sciences: Herr Pfaadt, junge Biotechunternehmen aus Deutschland stehen immer wieder vor großen Herausforderungen. Viele besorgen sich Kapital aus dem Ausland oder gehen direkt in den USA an die Börse. Warum ist das so?
Pfaadt: Unsere Erfahrung ist, dass die Art von Kapital, die ein Unternehmen wie c-LEcta benötigt, in Deutschland gar nicht in dem entsprechenden Umfang vorhanden ist. Das hat verschiedene Gründe, liegt aber beispielsweise an den Geschäftsmodellen. Biotechinvestoren kaufen ein Stück weit Fantasie, einen zukünftigen Umsatz, aber zunächst ganz sicher keine Dividende. Mag sein, dass dem ein Stück weit die deutsche Mentalität entgegensteht – und deswegen gehen viele Biotechunternehmen zur Kapitalbeschaffung ins Ausland. c-LEcta hat vor drei Jahren ebenfalls internationale Investoren ins Boot geholt, und auch heute erhalten wir trotz positiver Ergebnisse mehr Anfragen von Investoren aus dem Ausland. Gerade im angelsächsischen Bereich ist mehr Kapital für Biotechnologie vorhanden. Zudem können die dortigen Analysten den Biotechmarkt besser abscannen. Darüber hinaus beschäftigen sich die Investoren mehr mit dem Thema – das merke ich, wenn wir Anfragen aus dem Ausland bekommen. Sie fragen sich: Wo sind die Märkte von morgen? Investoren aus Deutschland können sich eher für eine bestimmte Technologie in der Gegenwart begeistern. Und derzeit sind insbesondere in den USA die Bewertungsrelationen wesentlich höher. Es ist nicht unbedingt einfacher, an der Nasdaq notiert zu sein als in Frankfurt – aber die Bewertungen sind natürlich wesentlich attraktiver.
Häufig wird eine mangelnde Risikobereitschaft von Investoren und Anlegern in Deutschland beklagt. Ist der Vorwurf berechtigt?
Ich glaube schon. Vor Jahren sagte einmal ein Kollege aus Großbritannien zu mir: „You Germans are cost-driven, we are revenue-driven.“ Dieser Gedanke hat mich über die letzten 20 Jahre begleitet und ich sehe mich darin immer wieder bestätigt. Mein Eindruck ist: US-Investoren wollen von Unternehmen gar nicht hören, wie gut und innovativ diese seien. Diese Investoren denken in Märkten und an Marktpotenziale. Der „SPAC-Börsengang“ von Lucid Motors ist dafür ein Beispiel: ein Unternehmen, das bereits unglaublich hoch bewertet wurde, bevor es überhaupt das erste Elektroauto verkauft hat. Wenn man in Deutschland hingegen auf Erträge schaut, guckt man automatisch auch immer auf die notwendigen Kosten – das bremst mitunter die Investitionsbereitschaft. Allerdings mag ich das nicht abschließend bewerten, denn auch deutsche Investoren sind inzwischen international besetzt. Ob gängige Vorurteile da noch allgemeingültig sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
Umgekehrt wird die Risikobereitschaft in den USA positiv bewertet. Heißt das, dass auf der anderen Seite des Atlantiks automatisch alles besser ist?
Das würde ich nicht pauschalisieren. Es kommt natürlich auf die Perspektive an. Wenn man einen lukrativen Exit sucht, sind die USA schon eine Art „gelobtes Land“ für den Investor, weil er seinen Profit auf diese Weise am besten maximieren kann. Ob das auch für das Unternehmen selbst die beste Lösung ist, kann durchaus diskutiert werden und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.
c-LEcta ist sehr erfahren in der Zusammenarbeit mit Venture-Capital-Gesellschaften. Wie bewerten Sie den Austausch mit deutschen und internationalen Investoren?
Ich kann tatsächlich nur Positives berichten. Wir bei c-LEcta haben einen sehr konstruktiven Gesellschafterkreis, der uns zum Teil schon seit Jahren begleitet. Als wir vor drei Jahren erstmals mit Capricorn einen internationalen Investor gewinnen konnten, war das noch einmal ein zusätzlicher Schub, da kam noch einmal ein neuer „Spirit“ hinein. Capricorn investiert nicht nur in Belgien oder Europa, sondern weltweit. Das bedingt auch ein groß angelegtes, internationales Netzwerk, von dem wir profitieren – denn obwohl wir ein deutsches Unternehmen sind, machen wir den größten Teil unseres Umsatzes mit dem internationalen Geschäft. Auch c-LEcta selbst ist somit ein internationales Unternehmen. Bei knapp 100 Mitarbeitern kommen unsere Angestellten derzeit aus elf verschiedenen Ländern. Diese Internationalität bildet sich auch in unserer Investorenstruktur ab.
Welche Rolle kann ein Unternehmen wie c-LEcta in diesem Zusammenhang gegenüber jungen Biotechs einnehmen, etwa als Mentor oder als Vermittler gegenüber potenziellen Investoren?
Letztlich tun wir das indirekt, indem wir beispielsweise in verschiedenen Verbänden oder auf Plattformen organisiert sind, wo ein regelmäßiger Austausch stattfindet. Bedingt durch unsere Gesellschafter haben wir darüber hinaus mehrere Schwesterunternehmen. So können wir untereinander Erfahrungen austauschen und weitergeben und uns damit gegenseitig unterstützen.
Wie kann Deutschland die Branche auf verschiedenen Ebenen stärken? Reicht es für die Branche aus, sich nur auf staatliche Förderprogramme zu verlassen?
Das ist keine einfache Frage. Natürlich ist Deutschland per se nicht schlecht aufgestellt: Es gibt hierzulande viel Wissen, gute Institute und Universitäten. Ich glaube, wir schaffen es auch, dass die Leute ausgründen. Für uns war es vor drei Jahren hingegen nicht einfach, eine Wachstumsfinanzierung zu generieren, also Investoren zu gewinnen, die uns in die nächste Wachstumsphase begleiten. Mein Eindruck damals war, dass man hier mehr Unterstützung benötigt. Das Ausgründen und Forschen und Entwickeln ist nicht die große Hürde. Hier besteht ausreichender Kapitalzugang in Deutschland, der auch vom Staat entsprechend unterstützt wird. In der klassischen Wachstumsphase wird es dann schwieriger, wenn es um die Kommerzialisierung und Skalierung geht. Ich glaube, hier ist auch der Staat nicht mehr der richtige Ansprechpartner – hier braucht es einen funktionierenden Kapitalmarkt und eine Plattform, auf der Investoren und die richtigen Unternehmen zusammenkommen können. Ich denke, an diesem Punkt haben es manche Unternehmen sehr schwer, weil sie einfach nicht die richtigen Mittel bekommen.
Welche Schlüsselfaktoren spielen letztlich eine Rolle bei der Transformation eines Forschungsprojekts hin zu einem erfolgreichen Unternehmen?
Wir reden hier über die aus meiner Sicht spannendste Phase eines Unternehmens, nämlich den Übergang vom reinen Forschungs- und-Entwicklungs- hin zu einem profitablen Unternehmen. Hier geht es um die Transformation eines Unternehmens, welches bis dato rein wissenschaftlich und projektgetrieben war, hin zu einem, welches plötzlich in Produkten und Vertrieb denken muss. Hier verschiebt sich auch die Mentalität des Unternehmens. Die Technologieplattform ist bereits installiert, aber plötzlich kommen Vertriebsexperten in ein Unternehmen, die ganz anders denken. Unsere Erfahrung zeigt: Hier muss man aktives Chancenmanagement betreiben und in der Lage sein, neue Prozesse zu etablieren. Wenn diese Veränderungen bewältigt sind, hält man den Schlüssel für weiteres erfolgreiches Wachstum in der Hand. So hat c-LEcta im vergangenen Jahr rund 20 neue Mitarbeiter eingestellt. Dieses Jahr werden wir voraussichtlich rund 30 neue Mitarbeiter einstellen.
Durch Erfolge von Unternehmen wie BioNTech im Zuge der Wirkstoffentwicklung gegen Corona scheint die Biotechnologie in Deutschland einen neuen Schub zu bekommen. Wird jetzt alles gut?
Biotech durchläuft immer Höhen und Tiefen. Ich glaube, die aktuelle Entwicklung hilft der Branche. Gerade in Deutschland haben wir viele großartige Projekte. Heute kennt fast jedes Kind in Deutschland den Namen „BioNTech“. Das ist ein tolles Ergebnis mit Signaleffekt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Schüler in den nächsten Jahren in diesen Bereich gehen wollen. Vielen Deutschen ist heute das Potenzial der Biotechnologie bekannt. Das war vor knapp 20 Jahren, als Biotech einen ersten Höhenflug erlebt hat, noch zu früh. Mittlerweile ist die Branche reifer geworden, es gibt konkretere Anwendungen. Bei uns ist der Bereich Gen- und Zelltherapie ein großer Wachstumsmarkt. Hier bietet Biotech echte Lösungen, und ich glaube, das verstehen die Menschen. Es geht nicht mehr nur um Fantasien, sondern um konkrete Lösungen. Ich denke, die aktuelle Entwicklung bringt einen wichtigen Schub, von dem auch Deutschland profitieren kann. Ich habe die Hoffnung, dass die Biotechnologie die Anerkennung bekommen wird, die sie bekommen sollte.
Herr Pfaadt, haben Sie herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
Das Interview führte Holger Garbs.
ZUM INTERVIEWPARTNER
Thomas Pfaadt ist seit 2018 CFO und Geschäftsführer der c-LEcta GmbH. Zuvor arbeitete er für einen Private-Equity-Betreiber von Rehabilitationskliniken in Berlin sowie für eine in Familienbesitz befindliche integrierte Gesundheitsgruppe und war für M&A bzw. Corporate Finance und Investor Relations verantwortlich. Darüber hinaus sammelte er Erfahrungen als Banker und Berater mit einem starken Fokus auf den Gesundheitssektor. Pfaadt hat Betriebswirtschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und an der University of Southampton studiert.
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