Schneller, besser, mehr Leistung – die neue Mobilfunkgeneration 6G bringt viele Vorteile. Auch für die Medizin. Denn: „Bei 6G rückt der Mensch in den Fokus“, sagt Christoph Lipps, Teamleiter Cyber Resilience & Security in der Forschungsgruppe Intelligente Netze am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im Projekt 6G Health beispielsweise liegt der Schwerpunkt auf Gesundheitsthemen. Es trägt mit 17 anderen Industrieprojekten zur 6G-Plattform Deutschland bei. Mehr als 100 Professoren und zahlreiche Industriepartner sind daran beteiligt, und beim DFKI laufen die Fäden zusammen.
„6G ist ein Konglomerat aus verschiedenen Technologien. Dazu gehören resiliente Infrastrukturen einschließlich intelligentem Monitoring und Sicherheit, echtzeitfähige Robotik, Security oder auch Virtual Reality“, so Lipps. Diese Technologien werde es allerdings erst sukzessive geben. „6G wird kein Riesenswitch sein, sondern vielmehr die konsequente Weiterentwicklung von 5G.“
Auch wenn die Standardisierungsarbeiten von 6G erst in diesem Jahr gestartet sind und erste kommerzielle System voraussichtlich nicht vor 2030 auf dem Markt verfügbar sein werden, dürfte klar sein, dass es im Vergleich zu 5G deutliche technische Steigerungen geben wird: 6G soll Datenraten von bis zu 200 Gbit/s, Latenzen bis zu 0,1 ms und Gerätedichten bis zu 106 bis 108/km2 realisieren. Diesen Rahmen hat die International Telecommunication Union (ITU) gesteckt. Zum Vergleich: 5G bietet Datenraten von bis zu 20 Gbit/s und eine Latenz von etwa 1 ms.
„6G und biomedizinische Technologien werden die medizinische Praxis und Forschung grundlegend verändern. Mit schnellerer Datenübertragung, verbesserten KI-Fähigkeiten und reduzierter Latenz wird der Gesundheitszustand von Patienten in Echtzeit überwacht und präzise behandelt werden können, was zu besseren medizinischen Ergebnissen und geringeren Kosten führt“, sagt Prof. Thomas Neumuth, Leiter des Innovation Center Computer Assisted Surgery, kurz Iccas, am Universitätsklinikum Leipzig.
Das Forschungszentrum ist Teil von 6G Health, das im Februar 2023 startete. Insgesamt 19 Partner erarbeiten hier über drei Jahre hinweg Anforderungen an medizintechnische 6G-Komponenten. Dabei werden sowohl regulatorische als auch technische und rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigt. Und auch internationale Standardisierungs- und Normungsaktivitäten bei medizintechnischen Anwendungen wollen die Partner im Projekt vorbereiten. „6G Health nähert sich dem Thema von unterschiedlichen Seiten, da wir in der Vergangenheit feststellen mussten, dass aktuelle Kommunikationstechnologien nicht oder nur unzureichend in der medizinischen Versorgung ankommen“, sagt Dr. Max Rockstroh, Teamleiter Communication Systems and Interoperability am Iccas. „Dafür gibt es verschiedene Gründe, wie die langen Entwicklungszyklen der Medizingeräte, Herausforderungen und Unsicherheiten bei der Zulassung von Medizinprodukten und deren Risikomanagement, Unternehmensinteressen und ein hoher Kostendruck auf Seiten der Entwickler und der Nutzer.“ Aktuell sei 6G Health in der technischen Entwicklung angekommen und die Akteure beginnen, erste Demonstratoren aufzubauen.
Die enge Anbindung an zwei große Kliniken – die Charité Universitätsmedizin Berlin und das Universitätsklinikum Leipzig – sind dabei laut Rockstroh essenziell für die Anwendersicht. „Der große Vorteil von 6G Health ist, dass wir Mediziner von Anfang an mit im Boot sind und die Entwicklung von 6G aktiv mitgestalten können. Die Bundesregierung setzt alles daran, dass 6G in der Medizin in Deutschland erfolgreich wird“, freut sich Prof. Friedrich Köhler, Leiter des Arbeitsbereichs Kardiovaskuläre Telemedizin am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).
„Wir können es uns langfristig nicht leisten, dass sehr gut qualifizierte Fachkräfte nach Geräten suchen, Patientendaten auf Papier dokumentieren oder an jedem Gerät den Namen des Patienten neu eingeben“, bestätigt Iccas-Experte Rockstroh. „6G kann als Beschleuniger für die Digitalisierung in der Medizin dienen, wenn wir es schaffen, frühzeitig auf die Anwender zuzugehen und wenn die Versprechen realistisch sind.“
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